Demonstration „Ladenschluss Jetzt!“ in der westsächsischen Provinz – Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen AntifaschistInnen und Nazis ausgeblieben – Im Vorfeld deutete einiges auf ein solches Szenario hin – Antifaschistischer Schulterschluss mit Zivilgesellschaft brachte am Wochenende kaum Vorteile
Die Kameraden der „Nationalen Sozialisten“ hatten sich nach Bekanntwerden der antifaschistischen Demonstration eifrigst um eine Gegenmobilisierung bemüht und versucht ein Bedrohungsszenario aufzubauen. So tauchten in der vergangenen Woche vermehrt Nazi-Schmierereien in der Innenstadt auf. Ein Abgeordnetenbüro der Partei „Die Linke“ zum Beispiel wurde in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag mit den Parolen „Heuchlerpack“, „SED Regime abschaffen“ und „NS jetzt“ besprüht. Einige Stunden zuvor versuchte „Kameradschaftsführer“ Daniel Peschek noch ganz persönlich am sogenannten „Politikkontor“ in der Hauptstraße zu provozieren. Organisatoren der Demonstration wurde in den letzten Tagen auch körperliche Gewalt angedroht. In der Stadt waren vermehrt mutmaßliche Nazis mit einschlägiger Kleidung zu sehen und am Naziladen „The Last Resort“ war von einem „Räumungsverkauf“ zu lesen. Die rechte Szene war also offensichtlich in großer Aufregung und kündigte für den Tag der Demonstration eine „Aktion“ an. Die Polizei rechnete mit 120 bis 150 Nazis.
Die antifaschistische Demonstration fand selbstverständlich dennoch statt. So zogen am Samstag etwa 200 Menschen durch Zwickau und forderten lautstark die Schließung des Naziladens „The Last Resort“ in der Kreisigstraße. Festzuhalten ist dabei, dass beinahe ausschließlich Menschen aus der „autonomen Szene“ (zitiert nach ‚Freie Presse‘) am Start waren. Eine Ausnahme bildeten dabei etwa 30 Leute der „IGM Jugend“. So stellt sich in Zwickau, wie schon in vielen anderen Städten auch, die Frage, inwiefern Kooperationen mit „Bürgerlichen“ sinnvoll sind. Die UnterstützerInnen-Liste des „Aktionsbündnis gegen den Naziladen »The Last Resort« in Zwickau“ umfasst 24 Gruppen und Einzelpersonen aus Parteien, Gewerkschaft und so weiter; die Bürgermeisterin der Stadt Zwickau nicht zu vergessen. Dies illustriert das Bemühen der OrganisatorInnen um die Zivilgesellschaft. Angesichts der ernüchternden Teilnehmerzahl wurde am Samstag jedoch die scheinbare Aussichtslosigkeit dieses Bemühens offenbar.
Der Verlauf der Demonstration war wider erwarten recht entspannt. Die Polizei hatte mit deutlich mehr TeilnehmerInnen auf beiden Seiten gerechnet. So ergingen sich die 150 Beamten angesichts bevorstehender Langeweile in teilweise ausführlichen Personenkontrollen. Das Logo der Kampagne „Good Night White Pride“ diente beispielsweise als Rechtfertigung für weitere polizeiliche Maßnahmen, war auf ihnen doch ein „verbotenes Keltenkreuz“ zu sehen. Ein Nazi in „Blood&Honour“-T-Shirt interessierte hingegen nicht. Nach kleineren technischen Schwierigkeiten wurde die 2000-Watt-Soundanlage zum Laufen gebracht und es konnte zu Drum‘n‘Bass der „Fraktion42“ aus Chemnitz endlich losgehen. Am ersten Zwischenkundgebungsort, dem NPD-Büro in der Stiftstraße, versammelten sich „nur“ etwa 60 Nazis, die von der Polizei abgeschirmt wurden. Einige Meter weiter an der Ecke Werdauer Straße flogen plötzlich mit Flüssigkeit gefüllte Beutel auf die Antifas. Mitglieder der „Nationalen Sozialisten“ hatten sich in einem leerstehenden Haus versteckt und nun vermummt die Demonstration angegriffen. Einzelne konnten dennoch sofort identifiziert werden. Bereits eine Woche zuvor wurden sie im Gebäude beobachtet. Gegen die fünf Männer im Alter von 19 bis 26 Jahren ermittelt nun das Dezernat Staatsschutz wegen gefährlicher Körperverletzung. Diese Attacke ist nur eine von vielen dieser dummen Aktionen der „Nationalen Sozialisten“ in den letzten Wochen. Immer wieder werden dabei Mitglieder der Kameradschaft festgenommen.
Die AntifaschistInnen setzten die Demonstration kaum beeindruckt wenig später fort. Passanten wurden mit Flyern informiert und Nazis waren nur vereinzelt zu sehen. Hin und wieder gab es kleinere Scharmützel mit den Polizeibeamten. Bis unmittelbar zum Naziladen „The Last Resort“ kam die Demo jedoch nicht. Die Organisatoren mussten sich mit einer Kundgebung in 50 Meter Entfernung zufrieden geben; mehr wurde von Ordnungsamt und Polizei nicht zugelassen. Die TeilnehmerInnen konnten so auch nicht die Umgestaltungen am „The Last Resort“ begutachten. Nun war wohl etwas von einem „Strandkorbverleih“ zu lesen und die Einrichtung des Geschäfts wurde vorsorglich geräumt. Der Ladeninhaber hatte scheinbar mächtig Respekt vorm politischen Gegner. Am Schumannplatz gab es den besten Redebeitrag des Tages. Eine Vertreterin des Ladenschlussbündnis aus Leipzig hob die Intention und Wichtigkeit der in Zwickau begonnenen Kampagne hervor. Im Zickzack ging es weiter durch die Stadt, so dass mensch am Ende über zwei Stunden unterwegs war. Der Abschluss am Hauptmarkt wurde dementsprechend schnell gefunden.
Ein abschließendes Resümee fällt positiv aus. Mensch muss sich immer wieder daran erinnern, dass Zwickau über Jahre hinweg tot war. Die neuerlichen antifaschistischen Bemühungen sind somit ein guter Anfang. 200 AntifaschistInnen sind in der ostdeutschen Provinz kaum zu überbieten, so realistisch muss mensch sein. Die geringe Resonanz im bürgerlichen Lager ist ohne jeden Zweifel ernüchternd. Die Gründung des Aktionsbündnis hat sich dennoch in verschiedener Hinsicht schon jetzt gelohnt. Mit den Gegenmobilisierungen auf einschlägigen Nazi-Seiten hat sich die rechte Szene eindeutig zum „The Last Resort“ bekannt und die antifaschistische Argumentation entsprechend gestärkt; dass es sich um einen Naziladen handelt, dürften nun alle begriffen haben. Erst in den vergangenen Tagen wurde zudem bekannt, dass der derzeitige Ladeninhaber Marco Hampel in der Vergangenheit die Anmietung eines weiteren Nebengebäudes im Hinterhof des „The Last Resort“ plante. Dort sollten größere Versammlungen der rechten Szene durchgeführt werden. Im Aktionsbündnis ist es weiterhin gelungen verschiedenste Menschen unter einer gemeinsamen Zielstellung zusammenzubringen. Es bleibt zu hoffen, dass nach der Demonstration der endgültige Ladenschluss des Naziladens alsbald durchgesetzt wird. Die Stadt Zwickau sollte dafür ihre entsprechenden Kompetenzen nutzen und ihren Beitrag zum Erfolg der Kampagne leisten, bevor wie in anderen Städten erst Scheiben zu Bruch gehen müssen.